Ruinen - Vergangenes Detroit
Detroit gilt als Heimat des Automobils – hier hat Henry Ford seinen ersten Wagen gebaut und hier rollten nicht nur Modell-T’s vom Band, sondern auch kurz danach Autos von GM, Plymouth, Dodge und vielen weiteren. 1920 war „Motor City“ die viertgrößte Metropole der USA und eine der schnellwachsendsten Städte der Welt.
Doch mit dem schleichenden Niedergang der amerikanischen Automobilindustrie zum Ende des vergangenen Jahrhunderts wurden viele Fabriken in der Stadt geschlossen, ebenso wie Schulen, Theater und Gemeindezentren. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung haben der Stadt in den letzten 50 Jahren den Rücken gekehrt. Doch die Fläche Detroits blieb gleich gross. Heute leben weniger als 700'000 Menschen in der Metropole, von ehemals über 1,8 Millionen. Vorallem die weiße Bevölkerung verließ die Innenstadt und nahm ihre Kaufkraft mit. Viele Gebäude waren nicht mehr rentabel und wurden abgerissen. Große Löcher im Stadtgeflecht taten sich auf und wurden mit Parkplätzen und freien Feldern nur provisorisch geflickt. Übriggeblieben sind Fassaden, Mahnmale einer vergangenen Zeit. In einer der ehemals reichsten Städte der Welt zeugen heute nur noch Ruinen vom früherem Reichtum. Bäume durchwachsen zerfallende Hausmauern, Strassen sind von Sträuchern und Gras überwuchert – langsam holt sich die Natur die Stadt zurück.
Diese Ausstellung zeigt eine Zusammenstellung von Gebäuden die Detroit berühmt machten und was heute von Ihnen übrig ist. Die Michigan Central Station – gebaut 1913 vom selben Architekten, der auch New Yorks Grand Central Station entwarf, ist zum Wahrzeichen der Deindustrialisierung geworden. Schulen, Fabriken, Theater: die meisten stehen leer oder werden abgerissen. Von den ursprünglich vier größten Theatern ist nur noch eines übrig: das Easttown Theatre, welches nach einem Brand 2009 jedoch stark zerstört ist. Das Lee Plaza, die ehemals nobelste Appartmentanlage der Stadt bietet selbst Obdachlosen heutzutage kein Dach mehr über dem Kopf. Und wurden einst die modernsten und luxuriösesten Autos in der Packard Plant hergestellt, wird dieses 35 Hektar große Areal ( und damit die größte verlassene Fabrik der Welt) nur noch als Schauplatz für Weltuntergangsfilme, wie z.B. Transformers genutzt. Auch Kirchen bleiben nicht verschont: seit 1950 wurden allein 35 katholische Kirchen im Großraum Detroit geschlossen. Nicht nur einzelne Gebäude, sondern auch ganze Stadtteile sind betroffen: Highland Park, nördlich von Detroit, gilt heute als eine der gefährlichsten und ärmsten Gegenden der Stadt. Hier hatte Henry Ford 1913 die erste Fliessbandproduktion gestartet.
Einige Gebäude wurden anstatt abgerissen auch umfunktioniert: aus dem Michigan Theatre wurde kurz nach seiner Schließung ein Parkhaus - nur noch der Stuck an der
Decke zeugt vom ehemaligen Glanz. Das Theater wurde auf dem Platz erbaut, an dem Henry Ford eine kleine Werkstatt betrieb und 1896 sein erstes Auto baute, das Ford Quadricycle. Der Ort, der der Geburtsort des Ford-Automobils war, wurde durch ein Filmtheater ersetzt und später wieder vom Automobil zurückerobert.
Detroit ist ein morbides Dokument des globalen Kapitalismus und kaum irgendwo anders wird so bildhaft die Kehrseite des amerikanischen Traumes verdeutlicht wie hier: Aufstieg und Fall sind unweigerlich miteinander verbunden und dies wird in den Bildern einer immer weiter verfallenden Stadt schmerzvoll sichtbar.
Die Künstlerin:
Mein Name ist Antonia Mahler und ich habe mich schon seit meinem Studium für Fotografie interessiert und seit 15 Jahren versuche ich dieses Interesse, so gut ich kann, durch meine Fotografien Ausdruck zu verleihen. Ich fotografiere, weil es mir Freude bereitet mich neben dem Alltag kreativ zu beschäftigen und ich die Welt durch die Kamera mit anderen Augen sehen und festhalten kann.
Zu meinen Lieblingsmotiven gehört die Natur, denn wie Van Cherub feststellte: "With innovation and technology, seems we have forgotten to cherish the true beauty the world has to offer." Jedoch bin ich auch von Gebäuden und Architektur im Allgemeinen fasziniert. Während meiner Reisen durch Europa und die USA war ich bestrebt die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dies bot sich vorallem während meines längeren Aufenthaltes in Detroit. Es gibt wohl kaum eine andere amerikanische Großstadt, die solch eine Ruinenkultur vorzuweisen hat wie Detroit. Meine Bilder sollen hier jedoch nicht Dokument des Zerfalls sein, sondern die vergessene Schönheit und den morbiden Charme der Vergänglichkeit darstellen.